Wegen Recherchen über ein Massaker an Muslimen wurden zwei Reporter in Myanmar zu sieben Jahren Haft verurteilt. Jetzt kommen die beiden vorzeitig frei - durch einen Gnadenerlass. Andere sitzen immer noch.
Die beiden Journalisten Wa Lone (l) und Kyaw Soe Oo nach ihrer Freilassung in Rangun. Foto: Thein Zaw/AP
Die beiden Journalisten Wa Lone (l) und Kyaw Soe Oo nach ihrer Freilassung in Rangun. Foto: Thein Zaw/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach 511 Tagen Haft endlich frei: In Myanmar haben zwei Reporter der internationalen Nachrichtenagentur Reuters ihr Gefängnis verlassen dürfen.
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Die beiden Journalisten Kyaw Soe Oo (29) und Wa Lone (33) wurden heute in der ehemaligen Hauptstadt Rangun vorzeitig begnadigt. Familie und Freunde nahmen sie mit grossem Jubel in Empfang. Die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi reagierte damit auch auf internationalen Druck. Der Fall hatte weltweit Proteste ausgelöst.

Die Reporter - beide selbst aus Myanmar, dem ehemaligen Birma - waren im Dezember 2017 in einem Schauprozess zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie sich bei der Recherche zu einem Massaker an Muslimen illegal Staatsgeheimnisse beschafft hatten. Dabei ging es um die Erschiessung von zehn Dorfbewohnern durch Militärs. Beide Reporter beteuern ihre Unschuld. Sie behaupten, in eine Falle gelockt worden zu sein.

In Myanmar, wo die grosse Mehrheit buddhistischen Glaubens ist, geht das Militär äusserst brutal gegen die muslimische Minderheit der Rohingya vor. Mehr als 700 000 Muslime sind ins Nachbarland Bangladesch geflohen. Die Vereinten Nationen sprechen von «Völkermord» und «ethnischer Säuberung». Die Arbeit von Journalisten wird massiv behindert. Auf einer weltweiten Rangliste der Pressefreiheit liegt das Land auf Platz 138. Weitere Journalisten sind immer noch inhaftiert.

Die beiden Reuters-Reporter sassen die meiste Zeit im berüchtigten Insein-Gefängnis von Rangun. Wa Lone wurde während der Inhaftierung Vater. Er sah seine Tochter am Dienstag zum ersten Mal in Freiheit. «Ich bin echt glücklich und bewegt, meine Familie und Freunde wiederzusehen», sagte er. «Ich kann es gar nicht abwarten, in die Redaktion zu gehen. Ich bin Journalist. Und das bleibe ich auch.» In der Haft hatte er ein Kinderbuch geschrieben. Titel: «Jay Jay, der Journalist».

An der Rechtmässigkeit des Urteils gibt es grosse Zweifel. Im Prozess gab ein Offizier sogar zu, dass man den Journalisten Papiere untergeschoben habe, um sie dann zu verhaften. Trotzdem sprach das Gericht sie schuldig. Das Gesetz dafür stammt noch aus Zeiten der britischen Kolonialherrschaft. Alle Versuche, auf juristischem Weg das Urteil zu ändern, blieben ohne Erfolg.

Jetzt kamen die beiden durch einen Gnadenerlass von Präsident Win Myint frei - zusammen mit mehr 6000 weiteren Häftlingen. Reuters-Chefredakteur Stephen Adler erklärte: «In den 511 Tagen sind sie Symbole dafür geworden, wie wichtig die Pressefreiheit weltweit ist. Wir freuen uns, dass sie wieder da sind.» Die EU begrüsste die Freilassung ebenfalls.

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) zeigte sich erleichtert. Deutschland-Geschäftsführer Christian Mihr forderte zugleich: «Die Regierung muss endlich alle Gesetze ändern, die für die Einschränkung der Pressefreiheit missbraucht werden können."

Der Fall hatte weltweit Proteste ausgelöst. Die beiden bekamen viele Auszeichnungen, auch den Pulitzer-Preis. Das US-Nachrichtenmagazin «Time» machte sie 2018 - zusammen mit anderen Journalisten - zu «Personen des Jahres». Auch viele Regierungen appellierten an Suu Kyi, beide zu begnadigen. Letztlich hatten die Proteste Erfolg.

Die Regierungschefin äusserte sich zunächst nicht. Bei früherer Gelegenheit hatte sie erklärt: «Die beiden wurden nicht verurteilt, weil sie Journalisten sind, sondern weil sie gegen das Gesetz verstossen haben.» Die 73-Jährige hat wegen des brutalen Vorgehens gegen die Rohingya viel von ihrem internationalen Ansehen verloren. Während der Militärdiktatur sass sie viele Jahre in Hausarrest. Jetzt führt sie eine Regierung, an der die Militärs beteiligt sind.

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