Ein grosser Teil der empfundenen Impfreaktionen bei den Corona-Impfungen könnte einer Studie zufolge auf den sogenannten Nocebo-Effekt zurückgehen.
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Eine Person mit einer Spritze gegen das Coronavirus. (Symbolbild) - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Nocebo-Effekt könnte Impfnebenwirkungen verursachen.
  • Erwartet man bei der Impfung negative Folgen, spürt man diese oft fälschlicherweise.
  • Dazu wurden 12 Studie durchgeführt.
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Die Folgen einer Corona-Impfung können für Menschen ganz unterschiedlich sein. Viele Patienten meldeten Nebenwirkungen. Anderen ging es gut. Die negativen Reaktionen führt eine Studie nun teilweise auf den Nocebo-Effekt zurück.

Rund drei Viertel der Patientenmeldungen zu den betreffenden Reaktionen nach der ersten Impf-Dosis liessen sich in der Auswertung darauf zurückführen. Zudem auch etwa die Hälfte der Meldungen wahrgenommener Folgen nach der zweiten Impfdosis. Dies schreiben Wissenschaftler um Julia Haas, Sarah Ballou und Friederike Bender im Fachmagazin «Jama Network Open».

In der Medizin sind Placebo- und Nocebo-Effekt bekannt. Positive Erwartungen können die Wirksamkeit eines Präparats verstärken und sogar bei einem Scheinmedikament zu einer Wirkung führen. Umgekehrt sorgt beim Nocebo-Effekt allein die Erwartung negativer Folgen dafür, dass diese tatsächlich zu spüren sind. Der Effekt ist etwa von den auf Beipackzetteln von Tabletten aufgeführten Nebenwirkungen bekannt: Allein die Erwartung einer Schädigung kann tatsächlich Schmerzen oder Beschwerden auslösen.

Nocebo-Effekt: 12 klinische Studien

Für ihre Forschungen analysierten die Forscher zwölf klinische Studien zu Impfungen mit verschiedenen Corona-Impfstoffen. Insgesamt rund 45'380 Teilnehmern meldeten Impfreaktionen. Davon hatten 22'802, die Impfstoff gespritzt bekommen, und 22'578 hatten ein Scheinpräparat bekommen.

Nach der ersten Dosis meldeten rund 35 Prozent der Scheinpräparat-Empfänger Impfreaktionen wie Kopfschmerzen oder Müdigkeit. Nach der zweiten Dosis waren es rund 32 Prozent. Bei den Impfstoff-Empfängern waren es rund 46 Prozent nach der ersten Dosis und rund 61 Prozent nach der zweiten Dosis.

Corona Impfung
Eine Frau lässt sich gegen Coronavirus impfen (Symbolbild). - GETTY IMAGES NORTH AMERICA/AFP/Archiv

Grund für die Nocebo-Reaktionen könnte den Wissenschaftlern zufolge die Aufklärung über mögliche Folgen vor der Impfung sein.

Die Infos könnten demnach Sorgen oder Nervosität auslösen. Das wiederum könne Menschen im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen hypersensibel machen. Dies erklärt Ted Kaptchuk von der Harvard Medical School. Darüber müsse beim Impfen besser aufgeklärt werden, empfehlen die Forscher.

Als limitierend für die Ergebnisse führen die Wissenschaftler die vergleichsweise kleine Zahl der analysierten Studien und deren hohe Heterogenität an.

Teure Medikamente noch verstärkend

Schon vielfach haben Forschende Folgen des Nocebo-Effekts untersucht.
So berichteten Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vor einigen Jahren, dass vermeintlich teure Medikamente diese Wirkung noch verstärken. Probanden hatten gesagt bekommen, zu den Nebenwirkungen eines verabreichten Präparats zähle ein erhöhtes Schmerzempfinden.

Jene, die von einem teuren Mittel ausgingen, verspürten nach Einnahme des Scheinmedikaments mehr Schmerz als die übrigen. Im Frontalhirn entstehende Erwartungen beeinflussten die Verarbeitung von schmerzhaften Reizen in tieferen Regionen des Nervensystems, erläuterten die Forschenden. Auch die Verarbeitung von Schmerzreizen im Rückenmark werde verändert.

Scheinmedikament - Scheinsymptome?

Wie mächtig der Nocebo-Effekt sein kann, zeigte einst eine Studie: Wissenschaftler berichteten über einen jungen Mann, der an einer Antidepressiva-Studie teilnahm. Mit den ihm überlassenen Psychopharmaka wollte er sich dann das Leben nehmen. Tatsächlich sackte sein Blutdruck so tief, dass der 26-Jährige in eine Notaufnahme kam. Dort stellten die Ärzte jedoch fest, dass der Mann zu jener Hälfte der Studienteilnehmer gehörte, die ein Scheinmedikament bekommen hatten. Als der Mann davon erfuhr, verschwanden die Symptome rasch.

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