Das Jahr der weinenden, starken Männer
«Ich denke, dass hier tatsächlich ein Wandel stattfindet, der mit der Auflösung von starren Rollenbildern zusammenhängt», sagt Uwe Waldmann, Diplompsychologe und Männertherapeut, gegenüber der «Welt». «Ich habe Vorträge erlebt, in denen Männern ihre Emotionalität geradezu propagieren und dafür (mehrheitlich von Frauen) sehr viel Zuspruch erhalten».
Inzwischen könnten Minister offen schwul sein – und eben auch weinen, ergänzt der
Systemische Berater und
Therapeut Peter Thiel.
Nicht jeder Mann darf weinen
Damit politisch engagierte Männer offen weinen und schwul sein können, müssen sie aber schon vorher dem Bild eines modernen Mannes entsprochen haben. «Also auch eine gewisse Weichheit zeigen, wie Justin Trudeau zum Beispiel», betont Thiel.

Die Tränen fliessen als Justin Trudeau eine Trauerrede über Sänger Gord Downie hält. Und doch ist kaum ein Politiker so beliebt wie der kanadische Premierminister. Auch US-Moderator Jimmy Kimmel erhält viel Beifall für seine Sendung, in der er sich weinend für bessere Waffengesetze nach dem Amoklauf in Las Vegas ausspricht.
Das Wichtigste in Kürze
- 2017 haben Politiker mehr denn je öffentlich ihren Gefühlen freien Lauf gelassen.
- Laut Psychologe Waldmann findet hier ein Wandel statt, der mit der Auflösung von starren Rollenbildern zusammenhängt.
Auflösung von starren Rollenbildern
Tränen vergiessende Männer bleiben vorerst aber noch eine Seltenheit, denn für die männliche Identität sind Eigenschaften wie Stärke, Unberührtheit und Rationalität wichtig. «Das Aufgeben dieser Attribute würde eben diese Identität gefährden und das macht vielen Angst», erklärt Waldmann.