Von Palau bis zum Polarkreis: So cool cruisen wir in Zukunft

Das Wichtigste in Kürze
- 37,7 Millionen Passagiere werden laut CLIA-Studie im Jahr 2025 eine Kreuzfahrt machen.
- Viele Schiffe setzen heute auf Flüssigerdgas, Wärmerückgewinnung und Abwasseraufbereitung.
- Abgelegene Ziele wie die Antarktik oder Palau werden bei Cruise-Fans immer beliebter.
Kreuzfahrten feiern gerade ihren glamourösen Höhenflug. Und zwar anders als früher. Nicht mehr als Massenspektakel mit 7'000 Passagieren, Animationsprogramm und Poolgymnastik, sondern als entschleunigtes, elegantes oder abenteuerliches Boutique-Erlebnis auf See.
Es sind Reisen geworden, die sich an ein Publikum wenden, das eher auf Zurückhaltung, Servicekultur und besondere Routen achtet als dass es auf Buffetschlachten und Captain’s Dinner steht.
Wer heute noch glaubt, Kreuzfahrten seien etwas für Senioren mit Leibbinde, der sollte einen Blick in die aktuellen Ausgaben von Vogue, Harper’s Bazaar und Condé Nast Traveller werfen. Dort segeln Luxus-Jachten und Boutique-Cruiser inzwischen durch Editorials – begleitet von Prime-Time-Spots im Fernsehen. Kreuzfahrten sind wieder salonfähig. Und zwar nicht zu knapp.
Der Boom der Branche
Die Zahlen lügen nicht. Laut einer aktuellen Studie der Cruise Lines International Association (CLIA), der grössten Branchenvereinigung für Kreuzfahrten, reisen 2025 rund 37,7 Mio. Menschen per Kreuzfahrtschiff – so viele wie nie. In den USA verzeichnet die AAA Cruises 19 Mio. Passagiere, ein Plus von 4,5 % zum Vorjahr.

Carnival-CEO Josh Weinstein (u. a. AIDA, Costa, Princess Cruises) sagt: «Nahezu die Hälfte unseres Angebots für 2025 ist bereits verkauft … Die Vorausbuchungen liegen preislich und bei der Auslastung über dem Niveau dieses Jahres.»
Das Magazin «Der Aktionär» bestätigt: Carnival steigerte den Quartalsumsatz auf 5,1 Milliarden Franken, übertraf alle Erwartungen und verzeichnete 6,4 Milliarden Franken an Kundeneinlagen – ein klares Signal: Die Nachfrage ist real. Und auch Disney setzt auf Wachstum: Bis 2031 sollen über 10,5 Milliarden Franken in neue Schiffe fliessen.
Hinter den Kulissen: Big Player und Kapital
Hinter dem Kreuzfahrt-Boom steht nicht nur Fernweh, sondern knallhartes Kapital. Die Branche ist ein Milliardengeschäft. Die Zahl der Neubauten steigt rasant – bis 2036 sollen über 50 neue Schiffe vom Stapel laufen.
MSC Cruises etwa, mit Hauptsitz in Genf, positioniert sich mit der neuen Luxusmarke Explora Journeys bewusst im Boutique-Segment. Royal Caribbean hingegen setzt auf gigantische Neubauten wie die Icon of the Seas.
Und Silversea, Pionier der Ultra-Luxus-Kategorie, expandiert gezielt in entlegene Expeditionsgebiete – und fährt mit fünf Schiffen auf 71 Routen zu 95 Destinationen. Es ist ein Rennen um Exklusivität, Nachhaltigkeit und Erlebnisqualität – und die Mittel dafür sind gewaltig.
Die neue Cruise-Generation
Was moderne Kreuzfahrten von den schwimmenden Hotels der 90er unterscheidet, ist nicht nur die Grösse. Es ist die Haltung. Schiffe wie die Explora I und II, die Four-Seasons- und Ritz-Carlton-Flotte verkörpern das Ideal eines Boutique-Hotels auf See.
Mit einer Kapazität von unter 1'000 Gästen bieten sie nicht nur Raum, sondern Intimität. Die Kabinen sind Suiten, der Service persönlich, das Design zurückhaltend modern. Keine Shopping-Malls, nur ein paar ausgesuchte Luxusboutiquen, keine Wasserrutschen – dafür ein Spa-Bereich, der sich mit jedem Retreat messen kann, und Restaurants, die Sterneküche auf Seegang bringen.
«Das Schiff ist sehr gut gestaltet. Die Innendekoration – breit, grosszügig, geschmackvoll. Und das Essen ist auch sehr gut», sagt Familie Guldimann aus der Schweiz. Und wer sich in einer der Penthouse-Suiten einquartiert, weiss sofort, was gemeint ist: Mehr Stil als die meisten Eigentumswohnungen an Land.

Four Seasons Yachts bieten mit nur 95 Suiten pro Schiff ein ultra-exklusives Erlebnis, das sich an anspruchsvolle Entdecker richtet – aktuell etwa mit neuen Routen in das abgelegene Inselparadies Palau im Westpazifik. Dort taucht man in ein geschütztes Meeresgebiet mit über 500 Korallenarten, riesigen Tridacna-Muscheln, frei schwimmenden Napoleon-Lippfischen, Schwarzspitzenhaien und Mantarochen – und erlebt im legendären Jellyfish Lake seltene, nicht-stechende Quallen in ihrer natürlichen Umgebung.
Red Sky wiederum setzt auf streng limitierte Reisen mit kuratierten Erlebnissen abseits des Mainstreams. Auch Ritz-Carlton mischt mit: Die eigene Yachtflotte richtet sich an Designliebhaber, die Hotelkomfort mit maritimer Freiheit kombinieren wollen.
Wo steht hier die Nachhaltigkeit?
Umweltfreundliches Reisen auf dem Kreuzfahrtschiff? Klingt für viele noch immer wie veganes Tatar – gut gemeint, aber irgendwie widersprüchlich. Seit Jahren steht die Branche am Pranger: zu laut, zu gross, zu dreckig. Und ja, der Vorwurf ist nicht aus der Luft gegriffen.
Aber: Es bewegt sich was. Langsam zwar, aber immerhin in die richtige Richtung.
Explora Journeys etwa will mehr sein als nur Boutique-Hotel auf See. Die Explora I und II fahren mit LNG, sparen Energie mit Wärmerückgewinnung, klug geplanter Routenführung und setzen auf Abwasseraufbereitung, die eher nach Hightech als nach Plastikbürste klingt. Auch an Land wird geschaut, wer da eigentlich die Ausflüge macht – möglichst lokal, möglichst emissionsarm, möglichst mit Gewissen.
Silversea geht einen ähnlichen Weg, allerdings mit Expeditionsbrille. Die neue Silver Nova kommt mit Hybridantrieb, Batteriepuffer und kann im Hafen den Stecker ziehen – Landstrom statt Dieselqualm. Dazu Vorträge über Wale, Gletscherverhalten und das richtige Verhalten beim Zodiac-Ausflug. Alles freiwillig, aber eben doch da. Kein Greenwashing auf halbmast, aber auch noch keine volle Kraft voraus.
Traumdestinationen 2025 und beyond
Abenteuer in Eis und Nebel stehen 2025 höher im Kurs denn je. Jeder will ins Eis. Statt Strandurlaub heisst es plötzlich: Kajaktouren vor Gletschern, Nordlichtjagd mit Naturguides und Vorträge über Klimawandel direkt zwischen schmelzendem Packeis.
Die neue Lust aufs Extreme hat Methode – und einen Bildungsauftrag gleich mitgebucht. Anbieter wie Silversea, Scenic, Explora oder Lindblad versprechen mehr als nur Aussicht. Sie schicken ihre Gäste nach Grönland, Spitzbergen, Island oder gleich in die Antarktis – mit Biologin Dr. Kara Weller oder Glaziologe Dr. Jason Hicks an Bord, die auf der Silver Endeavour erzählen, warum die Gletscher weinen.
Scenic bringt ein ganzes Discovery-Team mit: Arktisfotografen, Geologen, Ozeanografen. Und bei Explora mischt die UNESCO mit – Artenvielfalt, Klimafolgen, keine Buzzwords, sondern Programme mit Substanz. Wer dann noch einen Baby-Eisbären durchs Treibeis tapsen sieht, weiss: Das hier ist kein Netflix-Hintergrund, das ist die Erde live.
Exotische Tauchtrips und gut kuratierte Klassiker
Falls man keine Lust auf Daunenjacke und Gletscherbrille hat, finden sich die Abenteuer auch in wärmeren Gefilden. Karibik-Kreuzfahrten und Routen durchs Mittelmeer sind weiter gefragt – aber eben nicht mehr zum «Sonnenuntergang nach Santorini» (wo man vor lauter Leuten die Sonne nicht mehr sieht). Es geht heute um gut kuratierte Klassiker.
Zum Beispiel auf der mit Explora II: Abfahrt in Barcelona, wo Gaudí die Häuser tanzen liess – dann weiter nach Motril, dem Tor zur Alhambra. Wer keine Tickets für den Palast ergattert, nimmt den Mirador de San Nicolás: besserer Blick, weniger Gedränge, gleicher Zauber.

Nächster Halt: Tanger. Weisse Kasbahs, verwinkelte Gassen, Minztee und Muezzin. Stilsvoll zum Einkehren ist beispielsweise die Villa Mabrouka – einst Rückzugsort von Yves Saint Laurent, heute ein Rosengarten mit Meerblick. In Casablanca wartet Rick’s berühmtes Café und die Moschee Hassan II., die wie eine Königin auf dem Atlantik thront. Und danach: Inselhopping deluxe. Vulkangestein, Lorbeerwälder, Lavaklippen – die Kanaren als grosses Finale, ohne stressigen Strandlärm und quietschende Luftmatratzen.
Alright, alright, alright: Ich bin Cruiserin!
Nach fünf Tagen auf See – und natürlich einigen Landgang-Abenteuern – bin auch ich offiziell konvertiert: Ich bin Cruiserin! Ich sass in meiner Penthouse-Suite, den Bug im Blick, als sich das Anlegemanöver ankündigte – langsam, kontrolliert, fast feierlich.
Zentimeter für Zentimeter schob sich das Schiff gegen die Hafenmole, als ginge es darum, den Ozean nicht zu stören. Millimetergenau. Die Spannung? Zum Greifen. Es fehlte nur noch der Interstellar-Soundtrack und ich hätte gerufen: «Alright, alright, alright!» – und King of Cool Matthew McConaughey interstellarische Konkurrenz gemacht.
Dann: Der erste Tag auf See. Die pure Entschleunigung: Keine Termine, nur der Blick zum Horizont. Und irgendwann der Gedanke: Genau so muss sich Urlaub anfühlen. Macht man als Reisejournalistin eher selten – aber so stelle ich ihn mir vor. Entspannt aber immer in Bewegung.
Die Zukunft? Schwimmt
So scheint es nicht nur mir zu gehen. In Jahren voller Krisen – von der Enge in der Pandemie über den Horror von Kriegen bis zum drohenden Klimakollaps – suchen viele wieder nach Weite, einem neuen Überblick, und nach echten Momenten. Kreuzfahrten bieten etwas, das wir lange vermisst haben.
Und wie Nicole Costantin von Explora sagt: «Luxusreisende werden jünger – sie suchen Raum, Auswahl, Privatsphäre.» Kein Zufall also, dass Kreuzfahrten boomen. Es geht auch um das Erlebnis, nicht alles sehen zu müssen, aber das Richtige auf die richtige Weise.

Ein Symbol dieses Wandels steht täglich an Deck: Kapitänin Serena Melani, die auf der neuen Explora II das Kommando führt. Als erste Frau, die ein Schiff einer Luxuslinie wie Explora Journeys in Dienst gestellt hat, verkörpert sie eine neue Ära des Reisens auf See – mutig, souverän, wegweisend.
Wo früher Männer in Uniformen dominierten, stehen heute Haltung, Stil und Verantwortung am Steuerpult. Kreuzfahrten 2025 sind nicht mehr das, was sie mal waren – sondern das, was viele heute suchen: Weitblick statt Entertainment-Dauerfeuer. Echtheit statt Show. Nachhaltigkeit, Kuratierung, Ruhe.
Die Nachfrage ist real, der Wandel in jeder kleinen Welle spürbar. Und ich? Ich hab auf See begriffen, dass Kreuzfahrten viel mehr können als nur Meer.