

Auch das 44. Jazz Festival bietet keine Konfektionsware


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Was den Anlass heraushebt: Dass Musiker nicht einfach ihre abgeschliffenen Programme abspulen, sondern in neuen Konstellationen spielen. Das macht Entdeckungen und Überraschungen möglich.
Auch bei kulturellen Anlässe lauert die Gefahr der Routine. Viele Veranstalter, die mit dem Anspruch angetreten sind, Trampelpfade zu meiden, dem Unkonventionellen und Ungewohnten eine Bühne zu geben, haben sich in ihrer Nische ruhig und gemütlich eingerichtet. In Willisau wurde das bis heute vermieden.
Das ist ein Verdienst von Arno Troxler, der das Jazz Festival bereits zum neunten Mal organisiert. Da er aus einem andern Blickwinkel und mit anderen Vorlieben programmiert als sein Onkel, Festival-Gründer Niklaus Troxler, hat er es hin zu rockigeren und elektronischeren Tönen geöffnet, ohne die Wurzeln im Free Jazz zu verleugnen.
Von vielen anderen Festivals unterscheidet sich Willisau durch den Verzicht auf Konfektionsware von der Stange. Man kann nie sicher sein, was einen erwartet. Egal ob man die Band oder einzelne Musiker kenne, sagt Arno Troxler in einem Interview mit der „Luzerner Zeitung“: „Man weiss nicht, wie es dann klingt, wenn sie spielen, und die Musiker wissen es auch nicht.“
Publikum herausfordern
Im Programmheft zum diesjährigen, 44. Festival hat Troxler so etwas wie sein Credo festgehalten: „Es sollen Musikerinnen und Musiker vorgestellt werden, die sich beseelt, engagiert, kritisch, auf einem hohen künstlerischen Level agierend, mit Improvisation, Interaktion und Interplay auseinandersetzen und Neues schaffen.“ Sie sollen das Publikum herausfordern, berühren und begeistern.
Für Arno Troxler gehört es zu einem Festival, Entdeckungen zu machen, mit Ungewohnten konfrontiert und von Neuem inspiriert zu werden. Das kann bedeuten, dass gestandene Musiker mit neuen Formationen auftreten, noch Unbekannte auf der Hauptbühne neben „Legenden“, Amerikaner neben Schweizern.
So gastiert der 78-jährige Gitarrist James Blood Ulmer in diesem Jahr mit dem norwegisch-schwedischen Trio The Thing. Unmittelbar neben der jungen Formation Erb/Baker/Rosaly; einem Schweizer und zwei Amerikanern aus Chicago. Der Saxofonist Oliver Lake, auch schon 75, kommt mit dem jungen Organ Quartet nach Willisau.
Ein Urgestein ist der Schweizer Schlagzeuger Fredy Studer, der auch mit 70 Jahren bei jedem Konzert mit unverbrauchter Frische spielt und soeben ein bemerkenswertes Solo-Projekt vorgelegt hat. „Now’s the Time“ heisst die Kassette mit zwei Vinyl-LPs und einem Buch, die in Willisau vorgestellt wird.
Vertraute und unvertraute Töne
Insgesamt 23 Konzerte auf vier Bühnen sind an den fünf Tagen in Willisau zu hören. Für Arno Troxler stellt sich in jedem Jahr neu die Aufgabe, die Balance zwischen vertrauten und unvertrauten Tönen zu finden, eine jüngere Zuhörerschaft anzusprechen, ohne das Stammpublikum zu vergraulen.
Er hat diese Aufgabe bis jetzt mit Bravour gelöst, ohne musikalische Anbiederung. Er programmiert nach eigenen Worten „progressiv“ und ist damit gut gefahren. Jedenfalls konnte er den Publikumsrückgang, der schon früher einsetzte, stoppen und die Besucherzahlen stabilisieren.