Bargeldloses Zahlen verändert das Trinkgeldverhalten

Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer geben nach wie vor Trinkgeld – und das meistens bar.
- Jüngere geben nicht nur weniger Trinkgeld, sondern zahlen oft auch mit der Karte.
- Restaurantbesucher wollen den Betrag frei wählen können – Vorschläge sind unbeliebt.
Trinkgeld bleibt ein fester Bestandteil des Restaurantbesuchs in der Schweiz – auch in Zeiten von steigenden Preisen und digitaler Bezahlung. Die neuste Studie, welche die ZHAW School of Management and Law im Auftrag der Bank Cler durchgeführt hat, zeigt ein verändertes Verhalten bei der Trinkgeldvergabe.
Die Mehrheit der Gäste gibt im bedienten Restaurant auch heute noch meistens oder immer Trinkgeld – doch wie, wie viel und in welcher Form, hat sich im Zuge der Digitalisierung deutlich gewandelt. Bargeld dominiert beim Trinkgeld zwar weiterhin, verliert aber an Relevanz, vor allem bei jüngeren Gästen. Gleichzeitig wächst die Bedeutung von digitalen Bezahlmethoden.

Bargeld dominiert – trotz digitalem Bezahlen
69 Prozent der Gäste geben ihr Trinkgeld bevorzugt in bar. Besonders auffällig: Auch mehr als die Hälfte derjenigen, welche die Rechnung mit Karte oder mobil bezahlen, geben das Trinkgeld dennoch in bar. Die Debitkarte wird von 16 Prozent, die Kreditkarte von 10 Prozent und mobile Zahlungsmethoden wie Smartphone oder Smartwatch von 4 Prozent für das Trinkgeld genutzt.

Für 27 Prozent der Befragten ist bei der Wahl des Zahlungsmittels entscheidend, dass der Betrag direkt bei der Serviceperson ankommt. Dieses Bedürfnis nach Kontrolle und Transparenz ist im bargeldlosen Kontext besonders ausgeprägt, da viele befürchten, dass bargeldloses Trinkgeld nicht fair verteilt oder gar vom Betrieb einbehalten wird.
Regional zeigen sich Unterschiede: In der italienischen Schweiz liegt der Bargeldanteil beim Trinkgeld bei 82 Prozent, in der Deutschschweiz bei 67 Prozent. Auch ältere Personen greifen häufiger zu Bargeld – und Frauen mehr als Männer.
Geben Sie Trinkgeld?
Jüngere Generation gibt weniger – aus finanziellen Gründen
Während 72 Prozent der über 50-Jährigen angeben, immer oder meistens Trinkgeld zu geben, sind es bei den 18- bis 29-Jährigen nur 43 Prozent. Weitere 26 Prozent dieser Altersgruppe geben selten oder nie Trinkgeld. Die häufigsten Gründe sind die bereits hohen Preise in Restaurants (22 Prozent) und geringe finanzielle Mittel (18 Prozent).
Dennoch zeigt sich ein differenziertes Bild: Etwa ein Drittel der 18- bis 29-Jährigen gibt heute mehr Trinkgeld als noch vor einigen Jahren, etwa weil sich die eigenen finanziellen Möglichkeiten verbessert haben (26 Prozent) oder die Wertschätzung für den Service gestiegen ist (20 Prozent).

«Das Ergebnis macht deutlich, dass die Zurückhaltung der jüngeren Generation beim Trinkgeld oft mit ihren finanziellen Möglichkeiten zusammenhängt und nicht auf ein anderes Verständnis von Serviceentlohnung oder Wertschätzung», so CEO Samuel Meyer.
Regionale Unterschiede und situatives Verhalten bei der Höhe des Trinkgelds
Nach einem zufriedenstellenden Besuch in einem bedienten Restaurant geben 31 Prozent zirka 5 Prozent, 28 Prozent rund 10 Prozent des Rechnungsbetrags als Trinkgeld. In der Deutschschweiz liegt das Trinkgeld bei den Meisten zwischen 5 und 10 Prozent, in der Romandie und im Tessin orientiert man sich stärker in Richtung 5 Prozent.

Mehr als ein Viertel gibt an, dass sie sich beim Trinkgeld nicht an einem fixen Prozentsatz orientieren und stattdessen situativ entscheiden. Interessant ist, dass ein Drittel der Gäste in bar tendenziell mehr Trinkgeld gibt, nur 8 Prozent sind bei bargeldloser Zahlung grosszügiger.
Bargeldloses Trinkgeld: Gäste wollen Freiheit statt Vorschläge
Mit dem Rückgang des Bargelds gewinnt der Prozess des bargeldlosen Trinkgeldgebens zunehmend an Bedeutung. Die beliebteste Methode ist jene, bei der die Gäste einen Gesamtbetrag inklusive Trinkgeld nennen, den das Servicepersonal am Terminal eingibt – 75 Prozent der Befragten bewerten dieses Vorgehen positiv. Dies könnte mitunter auf die Vertrautheit mit diesem Prozess zurückgeführt werden. Weniger gut kommen vordefinierte Prozentvorschläge an Kartenterminals an.

62 Prozent bewerten diese negativ, vor allem, weil sie das Trinkgeld nicht in Prozent bestimmen wollen oder sich durch die Vorschläge bevormundet fühlen. Besonders kritisch wird auch die direkte Nachfrage nach Trinkgeld durch das Personal gesehen – sie erhält die tiefsten Zustimmungswerte aller getesteten Varianten.
«Trinkgeld muss freiwillig bleiben – auch bargeldlos», betont CEO Samuel Meyer. «Wenn Gäste sich gedrängt fühlen, verlieren sie das gute Gefühl beim Geben von Trinkgeld.»
Fazit: Digitalisierung als Chance – wenn sie den Menschen im Blick behält
Die Studie zeigt: Trinkgeld in der Schweiz ist weit mehr als eine freiwillige finanzielle Anerkennung für guten Service – es bleibt ein fest verankerter Bestandteil sozialer Normen und Ausdruck von Wertschätzung.
«Wichtig ist, dass die Prozesse der Trinkgeldvergabe einfach und transparent sind. Bargeld bleibt zwar prägend, aber bargeldlose Optionen gewinnen an Bedeutung», unterstreicht Samuel Meyer. Gleichzeitig verändern sich Erwartungen: Gäste wollen frei entscheiden, wie und wie viel sie geben – ohne Druck oder Automatismen.

Für Gastronomiebetriebe und Zahlungsanbieter bedeutet das: Digitale Lösungen müssen auf die Bedürfnisse der Gäste ausgerichtet sein – mit Fokus auf Freiwilligkeit, Kontrolle und Einfachheit. Dann kann die Digitalisierung nicht nur Prozesse verbessern, sondern auch die Motivation zur Trinkgeldgabe stärken.
Wie viel Trinkgeld im Ausland üblich ist, hat die Bank Cler in ihrem Trinkgeld-Knigge ausführlich aufgelistet: cler.ch/trinkgeld.
Details zur Umfrage
Die Umfrage ist repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung und wurde durch die ZHAW im Auftrag der Bank Cler durchgeführt. Für die vorliegende Studie wurden im April 2025 1000 Personen im Alter zwischen 18 und 81 Jahren, wohnhaft in der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz, über das Online-Panel «meinungsplatz.ch» zum Thema Trinkgeld in bedienten Restaurants befragt. Bei der Auswertung nach Alter wurde in drei Kategorien unterteilt: 18 bis 29 Jahre, 30 bis 49 Jahre sowie 50 Jahre und älter.